Die für Funkamateure (in Gebäuden ohne Blitzschutzsystem) maßgebliche Norm VDE 0800-300 "Funksende-/-empfangssysteme für Senderausgangsleistungen bis 1 kW – Teil 300: Sicherheitsanforderungen" wird derzeit unter Mitarbeit einiger Autoren dieses Beitrags überarbeitet. Die folgenden Ausführungen basieren auf dem aktuellen, noch nicht veröffentlichten Normentwurf, der voraussichtlich in 2024 veröffentlicht wird.
Dieser Beitrag führt in die technischen und organisatorischen Maßnahmen ein, um Antennenerdung und Blitzschutz für stationäre Amateurfunkstellen durchzuführen. Zusätzliche Überspannungsschutzmaßnahmen sind dann sinnvoll, wenn elektrische Geräte im Shack und ggf. im Shack geschützt werden sollen.
BEGRIFFE
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Funkanlage (Amateurfunkstelle):
Eine Funkanlage ist die Gesamtheit aus fest installierter Antennenanlage, Funkgeräten, Antennen- und Stromkabel, Stromversorgung, Systemtechnik und zugehöriger Infrastruktur.
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Antennenerdung:
Elektrische Verbindung einer Antennenanlage mit einer Erdungsanlage, damit die bei einem Blitzeinschlag in die Antennenanlage auftretenden Blitzströme in die Erde eingeleitet werden.
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Potentialausgleich:
Herstellen elektrischer Verbindungen zwischen leitfähigen Teilen wie z. B. Antennenmast, Schirme von Koaxkabeln, Metallgehäusen von Funkgeräten, um Potentialgleichheit zu erzielen. Geschieht dies zum Schutz von Personen, werden die Maßnahmen Schutzpotentialausgleich genannt.
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Blitzschutz, Blitzschutzsystem:
Schutzmaßnahmen gegen Auswirkungen von Blitzentladungen auf Personen, bauliche Anlagen und technische Einrichtungen. Die aufeinander abgestimmten Schutzmaßnahmen werden Blitzschutzsystem genannt.
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Überspannungsschutz:
Schutzmaßnahmen gegen die Auswirkungen von Überspannungen. Dazu gehören der Einsatz von Überspannungsschutzgeräten oder die Schirmung von Geräten und Kabeln.
Aus diesen Definitionen lassen sich bereits wichtige Aussagen ableiten:
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Antennenerdung:
Antennenerdungist weder Blitzschutz noch (Schutz-)Potentialausgleich, sondern das Einleiten von Blitzströmen von der Antenne in die Erde; dadurch werden Brand und Personenschaden durch Blitzströme verringert, Sachschaden z. B. an Elektrogeräten ist trotzdem wahrscheinlich.
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Potentialausgleich:
Potentialausgleich verringert Berührungsspannung und ist damit die wichtigste Maßnahme für den Personenschutz; Sachschaden z. B. an Elektrogeräten ist trotzdem wahrscheinlich.
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Überspannungsschutz:
Überspannungsschutz schützt Geräte + Technik; technisch gesehen wird ein Potentialausgleich für aktive Leiter mit Überspannungsschutzgeräten hergestellt.
HINWEIS
Dieser Beitrag enthält allgemeine technische Informationen zu Antennenerdung und Blitzschutz. Eine eigene Überprüfung der jeweils erforderlichen Handlungsweise durch die anwendende Person bleibt daher immer unentbehrlich. Die Autoren haben diese Information mit großer Sorgfalt verfasst. Dennoch können sie weder eine explizite noch eine implizite Gewährleistung für die Korrektheit, Vollständigkeit oder Aktualität des Dokuments übernehmen. Die Anwendung geschieht in dem Bewusstsein, dass die Autoren für Schäden oder Verluste jeglicher Art nicht haftbar gemacht werden können.
Beim Blitzschutz benötigt es keine Rechtsberatung. Hier sind Experten gefragt!
Blitzableiter für Antennen: Durch Erdung Sicherheit
Wichtiger Hinweis:Dieser Text betrifft nur Gebäude ohne Blitzschutzsystem. Wer eine Funkanlage in einem Gebäude mit Blitzschutzsystem betreibt, siehe Teil 3.
Amateurfunkantennen werden häufig oberhalb von Gebäudedächern installiert und sind damit bevorzugte Einschlagpunkte von Blitzen. Die Antennenanlage muss deshalb so aufgebaut sein, dass durch Blitze keine zusätzliche Brandgefahr entsteht und keine Teile abgesprengt werden können, die Personen oder Sachen gefährden.
Bild 2: Antennenerdung / DARC AK Antennenerdung
Bild 4: Antenne im Blitzeinschlag geschützten Bereich: (a) Fangstange, (b) an Gebäudewand, (c) außerhalb des Gebäudes, (d) im Gebäude / DARC AK Antennenerdung
Antenne
- Verwenden von blitzstromtragfähigen Antennen – im Amateurfunk unüblich
- Installation von Antennen in Blitzeinschlag geschützten Bereichen – für Ortsfunk, Relaisverbindungen oder QO100-Antennen möglich (Bild)
- Zulassen von Blitzeinschlägen in Antennen bei akzeptierbaren Sachschäden
Die letzte Vorgehensweise wird im Amateurfunk die häufigste sein. Dann kommt es zu Blitzüberschlägen zwischen Antennen und den nächsten geerdeten Teilen, in der Regel das Antennenkabel und der Antennenmast. Achtung: Brandgefahr durch Entfernen von brennbarem Material verringern!
Erdungsleiter
Der Erdungsleiter stellt eine elektrisch leitfähige Verbindung zwischen den Antennen und einer Erdungsanlage her. Dazu wird üblicherweise ein Kupferleiter mit mindestens 16 mm² Querschnitt genutzt. Er soll möglichst außerhalb des Gebäudes auf kürzestem Weg vom Antennenmast zur Erdungsanlage geführt werden.
Erdungsanlage
Im einfachsten Fall wird die Gebäudeerdungsanlage verwendet. Weitere Hinweise siehe Teil 5.
Bild 5: Potentialausgleich mit Überspannungsschutzgeräten für koaxiale Antennenkabel / DF4KJ
Potentialausgleich im Fokus: Schutzmaßnahmen verstehen
Der „Potentialausgleich“ ist die wichtigste Maßnahme zum Schutz von Personen und Technik: Alles Metallene wird direkt oder indirekt über Leiter oder Überspannungsschutzgeräte miteinander und ggf. mit der Erde (dem Erdpotential, der "fernen Erde") verbunden. Für den Personenschutz wird alles Metallene betrachtet, das mit ausgestreckten Armen berührbar ist und unterschiedliche Potentiale führen kann.
Potentialausgleichsleiter= Kupferleiter mit mindestens 4 mm² Querschnitt (bei geschützter Verlegung z. B. in einem Kabelschutzrohr 2,5 mm²) eingesetzt, für Leiter zwischen Potentialausgleichsschienen und der Haupterdungsschiene 6 mm².
Bild 6: Potentialausgleich an mehreren Stellen / DARC AK Antennenerdung
Wegen der hohen Blitzströme reicht der Potentialausgleich an der Haupterdungsschiene (im Keller) nicht aus! Deswegen muss zusätzlich ein örtlicher Potentialausgleich (Bild) durchgeführt werden, z. B.
- an der Antennenbefestigung
- beim Eintritt der Antennenkabel in das Shack
- im Shack
- bei freistehenden Antennenmasten und langen Kabeln am Mastfuß
Diese zusätzlichen Potentialausgleichsschienen werden mit der Haupterdungsschiene verbunden.
Potentialausgleich im Shack
Shack: Optimale Blitzschutzanlage
Bild 9: Bestandteile eines Blitzschutzsystems nach VDE 0185-305-3 / VDE
Anwendungsfälle
- Potentialausgleich mit SPDs*
- nur durch Blitzschutz-Fachkraft
- Ggf. isolierte Ableitungen verwenden
- Temporärer Aufbau von Antennenanlagen
Weitere allgemeine Informationen zum Blitzschutz siehe z. B. VDE e.V. :
*SPD = Überspannungsschutzgerät
Überspannungsschutz: Funktechnik schützen
Bild 10: Überspannungsschutzgeräte für koaxiale Antennenkabel am Mastfuß / DF4KJ
Überspannungsschutzgeräte (Kurzbezeichnung SPD = (en) Surge Protective Device) müssen für den jeweiligen Anwendungsfall passend ausgewählt und installiert sein:
- Treten direkte oder indirekte Blitzströme auf? → Strom 10/350 µs oder 8/20 µs relevant
- Wie hoch ist schätzungsweise der Blitzstrom an dieser Stelle?
- Wie hoch ist der maximale Nennstrom oder die Nennleistung?
- Wie hoch ist die maximale Betriebsspannung?
- Welche Anschlüsse (Stecker/Buchse) muss das Überspannungsschutzgerät besitzen?
- Wie hoch ist die maximal erlaubte Überspannung (Spannungsfestigkeit)?
SPDs werden grob drei Anwendungsfällen zugeordnet:
SPDs Typ 1 / D1 = Blitzstromableiter: leiten Blitzströme zur Erde / Schutzleiter ab; die Ansprechspannung ist relativ hoch; maximale Höhe des Stoßstroms (10/350 µs bzw. 8/20 µs) laut Datenblatt beachten
SPDs Typ 2 / D2 = Überspannungsableiter: Leiten Überspannungen zur Erde / Schutzleiter ab; leiten geringe Blitzströme (8/20 µs) zur Erde / Schutzleiter ab; bei größeren Blitzströmen Zerstörung
SPDs Typ 3 / D3 = Überspannungsableiter: mit geringeren Ansprechspannungen, meist in Kombination mit SPD Typ 2 / D2
Tipp
Wenn ein Gerät geschützt werden soll, muss ein Überspannungsschutz für alle mit dem Gerät verbundenen Leitungen vorgesehen werden.
Wichtig
Erdungsanlage: Eine oder mehrere?
Bei einem freistehenden Antennenmast wird im Fundament meist ein Flacheisen als Fundamenterder eingelegt. Dieser Erder wird mittels einer Potentialausgleichsleitung mit der Haupterdungsschiene verbunden.
Bei Antennenmasten auf Gebäuden wird der Erdungsleiter vorteilhaft am Gebäude außen (ansonsten im Gebäude) installiert. 3 Möglichkeiten für den Anschluss an eine Erdungsanlage:
- Gebäudeerder z. B. über eine bereits vorhandene Anschlussfahne an der Außenmauer
- Haupterdungsschiene, mit dieser ist der Gebäudeerder verbunden
- separate Erdungsanlage; diese wird mit einer Potentialausgleichsleitung mit der Haupterdungsschiene des Shack verbunden.
Bild 11: Erdungsanlagen für Antennenerdung / DARC AK Antennenerdung
VDE-Normen:
Warum sie für Sicherheit sorgen
Bild 12: Deckblatt der Norm DIN VDE 0855-300:2008 Funksende-/-empfangssysteme für Senderausgangsleistungen bis 1 kW - Teil 300: Sicherheitsanforderungen / DKE
Es gibt kein Gesetz, keine Verordnung, dass Antennenerdung eine notwendige Pflicht wäre. Allerdings gilt der Grundsatz, dass VDE-Normen den anerkannten Stand der Technik widerspiegeln. Wer davon abweicht, muss im Schadensfall ggf. nachweisen, dass alle notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, um Schäden anderer zu verhindern. Damit sind diejenigen Maßnahmen gemeint, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu schützen (siehe Wikipedia - Verkehrssicherungspflicht). Das ist erfüllt, wenn die üblichen Schutzmaßnahmen wie Antennenerdung und Potentialausgleich ausgeführt sind. Ein solches Gebäude ist im Grunde besser gegen Blitzwirkungen geschützt als ohne Funkanlage.
In Anerkennung des experimentellen Charakters des Amateurfunks wurde in der Norm VDE 0855-300:2023-xx im Abschnitt 7 vermerkt, dass die in der Norm formulierten Schutzmaßnahmen nicht unbedingt vollumfänglich eingehalten werden müssen; die Maßnahmen des Schutzpotentialausgleichs sind jedoch bevorzugt umzusetzen. Damit sind Antennentypen gemeint, bei denen eine Antennenerdung nicht möglich ist. Oder es wird eine soeben selbstgebaute Antenne in einem temporären Aufbau getestet. Gleichwohl müssen die Schutzziele - Verringerung von Personengefährdung und Brand nach Blitzeinschlag - berücksichtigt und alternative Maßnahmen ergriffen werden. Zumindest sollte man sich darüber Gedanken machen und dies schriftlich dokumentieren.
Fazit:
Antennenerdung nach VDE 0855-300 ist - bis auf wenige Ausnahmen - keine gesetzliche / behördliche Pflicht, aber anerkannter Stand der Technik und somit grundsätzlich anzuwenden. Abweichungen müssen gut begründet und möglichst auch dokumentiert sein.
DIN EN 60728-11 (VDE 0855-1):2019-02 Kabelnetze für Fernsehsignale, Tonsignale und interaktive Dienste - Teil 11: Sicherheitsanforderungen (IEC 60728-11:2016 + COR1:2016); Deutsche Fassung EN 60728-11:2017 + A11:2018
DIN VDE 0855-300 (VDE 0855-300):2008-08 Funksende-/-empfangssysteme für Senderausgangsleistungen bis 1 kW - Teil 300: Sicherheitsanforderungen
DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3):2011-10 Blitzschutz - Teil 3: Schutz von baulichen Anlagen und Personen (IEC 62305-3:2010, modifiziert); Deutsche Fassung EN 62305-3:201
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